Frisches Denken für die mobile Zukunft.
Alle wollen so multimobil sein, wie es geht. Doch entsteht dabei Verkehr, will es niemand gewesen sein. Täglicher Stau auf allen Strassen, es ändert sich nichts. In den Innenstädten kämpfen Individual-Verkehr, ÖV, Velos, Fussgänger und E-Scooter gegeneinander, statt sich smart zu ergänzen. Ist der Leidensdruck noch nicht gross genug? Und wieso nimmt sich niemand dem Problem an? Für die Lösung des täglichen Verkehrschaos gibt es nur eine Lösung – wir müssen umdenken und unser Mobilitätsverhalten radikal ändern.
Es ist sinnbildlich für unsere Zeit, dass wir alles haben wollen, ohne auf etwas zu verzichten. Wir wollen Cola trinken, aber ohne Zucker. Wir wollen Kaffee konsumieren, aber ohne Koffein. Bier ohne Alkohol, Fleisch ohne Fett, Zigaretten ohne Nikotin und stinkenden Qualm. Kurz: Der Zeitgeist verlangt nach Genuss ohne schlechtem Gewissen.
Genau dieses Verhalten zeigt sich auch bei der Mobilität – wenn Leute fast pausenlos unterwegs sind, und ihr schlechtes Gewissen mit ein paar Franken CO2-Kompensation beruhigen. Und jetzt kommt auch noch die E-Mobilität – fahren frei von Emissionen! Supersache! Werden also jene Leute, die heute aus Rücksicht auf die Umwelt ihr Auto auch mal stehen lassen, es demnächst wieder ganz ohne schlechtes Gewissen bewegen?
Es mag ja sein, dass durch diese – wieder in Mode gekommene – Antriebsform das Auto selber keine Emissionen mehr ausstösst. Allerdings entsteht ein viel höherer Stromverbrauch und durch das Suchen und Anfahren von Ladestationen auch mehr Verkehr. Deshalb müssen wir uns bei jeder neuen Mobilitätsform kritisch fragen: Geht es nicht auch anders? Nur wenn wir umdenken und den Verkehr radikal verringern, haben wir eine Chance, die Verdichtung der nächsten Jahre zu meistern, und dabei der Umwelt auch noch Sorge zu tragen. Getreu dem Motto: Weniger ist mehr.
Die Hälfte meines Lebens höre ich von Ideen wie Home-Office und Car-Sharing, die unsere Verkehrsprobleme minimieren sollen. Aber die seit Jahren konstante Ziffer von durchschnittlich 1,2 Personen pro Pendler-Auto hat sich nach wie vor nicht erhöht, im Gegenteil: Das Problem hat sich verschärft. Weil die Pendler-Autos zunehmend potenter und grösser wurden, benötigen sie mehr Platz und Energie als je zuvor.
Wir müssen uns auch fragen, ob es die trendigen E-Scooter in unseren Innenstädten wirklich braucht. Könnte man diese kurzen Strecken nicht auch mit einem klassischen Fahrrad ohne Batterieantrieb oder sogar zu Fuss zurücklegen? Müssen wir an den Wochenenden wirklich mit Billig-Airlines Städtereisen unternehmen, bloss weil es so günstig ist? Benötigen wir das bei Amazon bestellte China-Teil wirklich so schnell, dass ein Extra-Kurier ans Werk muss?
Denkt man kritisch über so manch tolle und moderne Dienstleistung nach, die sich in den letzten Jahren in unseren Lifestyle geschlichen hat, merkt man, dass diese zwar womöglich dem Individuum das Leben erleichtern, der Gesellschaft dafür aber zweifelsohne mehr Verkehr und Emissionen aufbürden. Egoismus first? Mehr und mehr scheint es so. Hier wollen wir als DenkfabrikMobilität ansetzen, um lösungsorientiert und frei von Zukunftspessimismus in die mobile Zukunft zu schauen.
Wir werden nicht mehr darum herum kommen, endlich auch die «versteckten» Energiefaktoren zu erkennen und zu benennen, die wir generieren. Wie zum Beispiel die Klimaaktivisten, die zwar nicht reisen, dafür jedoch in der selben Zeit Netflix oder Youtube schauen oder sich über soziale Plattformen zur nächsten Demo verabreden. Die dabei genutzten Server und Rechenfarmen belasten die Umwelt mit 3,7 Prozent aller weltweiten Treibhausgase. Das klingt nicht nach viel, aber diese Emissionen sind neu und steigen Jahr für Jahr. Zurück zum «Verkehr»: Der globale Konsum von Online-Pornos produziert jährlich gleichviel CO2 wie alle Einwohner Rumäniens zusammen. Mein Tipp: Lieber mal wieder offline einen runterladen.
Es ist in dieser digitalen und globalisierten Welt schwierig geworden, den Überblick zu behalten, was unsere täglichen Gewohnheiten an Verkehr und Schadstoffen auslösen. Wir müssen beginnen, unser Mobilitätsverhalten zu hinterfragen und Prioritäten setzen, wie wir dem Ziel der Klimaneutralität näherkommen können. Mit mehr von allem geht es nicht! Wir müssen lernen zu verzichten. Mehr als globale Gruppe, als immer und überall voneinander abhängige Gesamtgesellschaft zu denken. Doch wie machen wir das in einer Welt, in welcher der Egoismus überhandnimmt und die nur zu einem kleinen Teil «smart» und «sharing»-orientiert ist? Wir müssen den Mut haben, radikal zu denken, und die Dinge um uns herum in Frage zu stellen.
So frage ich mich als Stadtzürcher schon lange, wie Städte wie Stuttgart vor über zehn Jahren Umwelt-Zonen eingeführt haben, die es CO2-Schleudern verbieten, in die Innenstadt zu fahren? Wieso gibt es seit 2003 die London Congestion Charge um den Verkehr in der Innenstadt zu verringern? Doch hier passiert gar nichts. Tag für Tag fahre ich mit dem Fahrrad an gestauten Blechlawinen vorbei, Tag für Tag frage ich mich, wann wird sich das endlich ändern? Worauf wartet die Politik? Auf ein Wunder? Auf das selbstfahrende Auto, welches unsere Verkehrsprobleme autonom und «im Vorbeifahren» lösen soll? Immerhin kann man dann die Zeit im Stau für Online-Bestellungen nutzen, deren Lieferung dann ja noch mehr Stau verursachen wird. Schöne neue Welt!
Unsere Mobilitätsprobleme werden nicht durch Wunder gelöst, wir müssen sie überdenken, anpacken und dabei auch über die Kostenwahrheit sprechen. Und wenn dabei die grössten Stauverursacher nicht mitmachen wollen, dann ist es an der Politik, die Spielregeln so zu ändern, dass mitgemacht werden muss – das heisst, die Kosten für den Individualverkehr in der Stadt müssen steigen.
Doch wo sind unsere Politikerinnen und Politiker? Sie versuchen sich in Mobilitätsthemen bloss nicht zu stark zu positionieren oder zu exponieren, es könnte sie ja bei der nächsten Wahl Stimmen kosten. So fahren sie lieber zwischen sicheren Leitplanken ihren Schlingerkurs. Und Parteien wie die Grünen, die sich früher durch oft unzimperliche Aktionen Gehör verschafften, sind heute ins parlamentarische Geplänkel eingebettet und haben ihren Biss verloren. Noch schlimmer: andere Parteien haben sich die grünen Ideen und Positionen einverleibt und gewinnen heute damit Stimmen und Wähler. Sich mit der Auto-Lobby anzulegen, wagt kaum jemand – ausser vielleicht ein paar Liegevelo-Nerds, die alles Motorisierte verdammen. Das entspricht auch nicht meiner Einstellung eines friedlichen Miteinander einer Stadt. Doch gerade in der Politik schaffen es heute neue Bewegungen wie die Operation Libero, die Gesellschaft zu erreichen.
Wo ist die Presse? Wo sind die unbequemen Journalisten, die der Wirtschaft und der Politik Druck machen und nicht nachgeben, bis sich in der Verkehrspolitik etwas geändert hat? Da spüre ich auch nicht die unbändige Energie, die dieses Thema verdienen würde. Aber das liegt vielleicht am Umstand, dass Journalisten mit ihrer Schreibe geldgierigen Konzernkapitänen zudienen müssen, welche mehr auf die Gunst ihrer Aktionäre und die Franken ihrer Inserenten geben, als auf unabhängigen Journalismus. Glücklicherweise gibt es auch neue Kräfte wie zum Beispiel tsüri.ch, die mit Mut, Herzblut und neuen Konzepten dafür kämpfen, dass jungen Themen Gehör verschafft wird. Die grossen Medienhäuser mögen diese «kleinen Fische» belächeln und nicht ernst nehmen, aber Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.
Diese persönliche Einordnung soll aufzeigen, wie komplex das Thema Mobilität ist und wieviele Faktoren es dabei zu beachten gilt. Doch alles nur negativ zu sehen, bringt uns nicht ans Ziel. Sich nur mit den Befindlichkeiten einer Mobilitätsform zu beschäftigen ebenso wenig. Hier kommt die DenkfabrikMobilität ins Spiel: wir haben Mut, Lust und Freude an der Gestaltung der Zukunft und nennen die Dinge beim Namen. Unser Netzwerk nimmt Themen unter die Lupe, welche die Politik lieber weichzeichnet. Sei es am Rosengarten, wo mit Eisen und Beton über ein fehlendes städtebauliches Entwicklungskonzept hinwegetäuscht werden soll. Sei es beim Verkehrslittering, wo kostbare und teure ÖV-Leistungen ungenutzt verpuffen.
Wir versuchen, mit klaren Positionen und unserem Manifest, Chancen aufzuzeigen und Diskussionen in Gang zu bringen, damit wir vorwärts kommen. Wir wollen mit unseren Thesen und Argumenten die Gesellschaft erreichen und da hinsehen, wo andere wegsehen. Wir glauben an eine verkehrsmässige Gestaltungsmöglichkeit der Zukunft, an die Stadt und den Verkehr als Raum für alle. Wir wollen heute beginnen, das Morgen besser zu machen. Schritt für Schritt, Idee um Idee. Unterstützen Sie uns, wenn sie es auch satthaben, dass es nicht vorwärts geht. Teilen sie diesen Beitrag, sensibilisieren Sie ihr Umfeld, machen Sie auf die DenkfabrikMobilität aufmerksam, denn wir brauchen «Frisches Denken für die mobile Zukunft». Wir bleiben dran… Versprochen. #