E-Trottinette: Just for fun? Just for fun!

 

Unklare Rolle im Mobilitäsangebot, gefährlich, konfliktreich, teuer, bezüglich der Umwelt und Datenerhebung mit kritischen Fragen behaftet. Plötzlich waren sie da, die E-Trottinette, ergiessen sich zu hunderten und tausenden über die Gehwege dieser Welt; von Los Angeles über Zürich bis Singapur. Free Floating nennt sich das Angebot, zu dem man sich mit einer App einfachen Zugang verschafft und dafür bezahlt. Sie sollen den Menschen für die „erste und letzte Meile“ unkompliziert Mobilität bieten. Der umweltgerechten Mikromobilität einen markanten Schub verleihen. So die Verheissungen der Firmen, die diese Angebote lancieren.

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Unklare Rolle im Mobilitätsangebot.
Kritische Fragen seien gestattet: Welche Mobilitätslücke sollen die E-Trottinette überhaupt noch schliessen? Welche Rolle können sie im Mobilitätsangebot spielen? (Bei Schnee und Eis werden sie wohl kaum einsetzbar sein, weshalb einige Anbieter in den Wintermonaten ihr Angebot zurückziehen.) Können die E-Roller denn mehr als ein Fahrrad oder locken sie gar die öV-Fahrgäste heraus aus den Trams und Bussen? Ersetzen sie den Fussmarsch, was nicht unbedingt im Sinne der Volksgesundheit wäre. Zu bezweifeln ist, dass sie Heerscharen dazu bringen, ihre 2-Tonnen-SUVs stehen zu lassen. Gut möglich, dass diese Gadgets einfach „just for fun" sind. Das wäre ja auch ganz ok. Nur müssen diese Dinger denn gleich zur Offenbarung und zum Quantensprung in der Mobilität empor stilisiert werden? 

Mehr Gefahren für Fussgänger.
Unschwer zu erkennen ist, dass der Raum für die Fussgänger noch enger und gefährlicher wird. Gefährte mit bis zu 30 km/h vertragen sich  schlecht auf den Gehwegen. Dies ist auch verboten, wird aber von den wenigsten bei ihrem hedonistischen Treiben eingehalten. Konflikte mit Fussgängerinnen und spielenden Kindern sind unvermeidlich. Gemäss US-Behörden sollen sich im letzten Jahr 1500 Menschen verletzt haben, drei sogar tödlich. Auch wenn dies auf den ersten Blick etwas übertrieben scheint, warnen Ärzte in den USA bereits vor einer Gesundheitskrise. Erste Städte reagieren. So hat San Francisco, aufgrund schlechter Erfahrungen, die beiden Anbieter Lime und Bird von ihren Strassen verbannt. Auf den Punkt gebracht, E-Trottinette verheissen Mobilität, verursachen aber primär noch mehr Verkehr.

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Entscheidende Fragen nicht gestellt.
Wie steht es denn mit den Umweltaspekten?  Eine Anbieterfirma legt offen, dass ihre Gefährte in durchschnittlich nur 29 Tagen zu Schrott gefahren seien. Wie wird der anfallende Elektroschrott recycliert? Unter welchen Bedingungen werden die Roller produziert; handelt es sich um Billigprodukte aus China oder andern Schwellenländern? Welche Arbeitsbedingungen herrschen in den Minen, wo Kobalt und Nickel für die Batterien abgebaut werden? Alles Fragen, die im rot-grünen Zürcher Gemeinderat nicht gestellt wurden, als dringlich mit grosser Mehrheit ein Vorstoss überwiesen wurde, der die Anbieter von E-Trottinette weitestgehend von städtischen Gebühren entlasten soll.

Vehikel für gierige Investoren.
Die Firmen, die hinter diesen Angeboten stehen geben sich wenig transparent, kommunizieren zurückhaltend mit der breiten Öffentlichkeit. Sicher ist, dass es sich weltweit um einen Riesenmarkt handelt. Allein letztes Jahr schätzte das Marktforschungsunternehmen Grand View Research das weltweite Marktpotenzial auf 17 Mrd. Dollar. Hunderte Millionen Dollar fliessen in Startups. Noch nie haben Startups so schnell eine Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar erreicht. Ein Riesending, ein Hype für gierige Investoren, die nur darauf hoffen, mit diesen Rollern schnelles Geld zu verdienen. Gerade günstig ist die Nutzung dieser Gadgets nicht. Während den Fahrgästen der VBZ Züri-Linie für Fr. 2.30 während 30 Minuten das dichte Tram- und Busnetz zur Verfügung steht, kostet für den gleichen Zeitraum die Nutzung eines E-Trottinette Fr. 8.50. Im Vergleich dazu nehmen sich die 37 Franken für die Tagesmiete eines A-Klasse Mercedes (Quelle Website Sixt) geradezu wie ein Schnäppchen aus.

Ein Riesending, ein Hype für gierige Investoren, die nur darauf hoffen, mit diesen Rollern schnelles Geld zu verdienen.
— Heinz Vögeli, denkfabrikmobilitaet.org

Naiv und fahrlässig
Naiv und fahrlässig, wie die Stadt Zürich und ihr Parlament auf die neuen Angebote reagieren. Den Tech-Investoren aus dem Silicon Valley soll mit noch tieferen Gebühren der rote Teppich ausgerollt werden. Kein Nachhacken, keine Transparenz bezüglich der Datenerhebung, obwohl von diesen Gefährten, die überall im öffentlichen Raum herumstehen, dauernd Daten gehortet werden. Es wäre nur logisch, mindestens die Bewegungsdaten der städtischen Verkehrsplanung zur Verfügung zu stellen, eine Betriebsbewilligung ist an diese Bedingung zu knüpfen. Für die Bevölkerung einer Stadt muss nachvollziehbar sein, wohin die erfassten Daten gehen, wer sie ausbeutet und damit weiter Geld verdient. Gerade in einer Phase des digitalen Umbruchs in der Gesellschaft kann nur durch Transparenz Vertrauen aufgebaut werden. Behörden an den Schaltstellen, die Betriebsbewilligungen erteilen, müssen diese Verantwortung wahrnehmen.

Zusammengefasst lässt sich feststellen: Die Rolle der  E-Trottinette im Mobilitätsangebot ist nicht klar, sie sind teuer, gefährlich, bezüglich der Umwelt und Datenerhebung mit kritischen Fragen behaftet, gefährlich und konfliktreich. Nichtsdestotrotz bereiten sie Spass, mit dem grossen Wermutstropfen, dass sie noch mehr Verkehr verursachen. #

Zum Schluss noch eine witzige Neuauflage von Alfred Hitchcock’s Horrorklassiker “The Birds” von 1963. Diesmal aber mit rollenden, anstelle von fliegenden “Birds”:

 
Heinz Vögeli