Widerspruch von ganz oben
Der auf denkfabrikmobilitaet.org publizierte Artikel ”Das Tram heiligt keinen Strassentunnel” zog in den Medien weite Kreise und sorgte für Kommentare bei Gegner und Befürworter des Rosengarten-Projekts. Die NZZ am Sonntag berichtete darüber und auch bei TeleZüri fanden die Fakten der DenkfabrikMobilität den Weg in die News. Und dann schalteten sich auch noch die Zürcher Verkehrsbetriebe, VBZ in die Diskussion mit ein – und das in Form einer E-Mail von VBZ-Direktor Guido Schoch an alle DenkfabrikMobilität-Mitglieder. Den Inhalt veröffentlichen wir hier – und in Abspache mit den VBZ – als unkommentierte Gegendarstellung.
Liebe Mitglieder der Denkfabrik Mobilität
Ich finde es schön, wenn sich pensionierte VBZler noch für unsere Projekte interessieren. Bei Stellungnahmen in der Öffentlichkeit sollten sie sich aber an aktuelle Daten und Fakten halten. Hier nur einige Bemerkungen zum Blogbeitrag von Horst Schaffer "Das Tram heiligt keinen Strassentunnel" (Nummerierung bezieht sich auf die Beilage am Textende):
Die maximale Steigung der Strasse ist nicht dem flüssigen Verkehr geschuldet, sondern der (nicht mehr ganz neuen) Norm, dass Tunnels wegen des Kamineffekts im Brandfall maximal 50%o Steigung aufweisen dürfen.
Bei den Buslinien auf der Rosengartenstrasse/Hardbrücke handelt es sich um diejenigen Linien mit dem grössten Wachstum. So stösst der erst kürzlich eingeführte 83 bereits wieder an seine Kapazitätsgrenzen. Im Gegensatz zum letzten Jahrhundert, wo das Wachstum hauptsächlich im Zentrum stattgefunden hat, sind die grössten Wachstumsgebiete in Zürich Nord und Zürich West. Gemäss Prognosen soll der öV auf dieser Achse bis 2030 um weitere 70% steigen (was aufgrund der regen Bautätigkeit auch nicht ganz überraschend ist). Dass diese Linien nur wenige Fahrgäste ausweisen, ist also komplett falsch.
Eine Tangentialverbindung entlastet die Strecken um den Hauptbahnhof, die an der Leistungsgrenze sind. Zudem bietet sie deutlich schnellere und direkte Fahrten zwischen den Wachstumszentren an, die wie das Beispiel des neuen 83ers zeigen auch rege genutzt werden. Auch im Ausland werden Tangentialverbindungen zur Entlastung der Zentren gebaut.
Start und Ziel der neuen Tramlinien liegen keineswegs völlig im Dunkeln.
Die maximale Steigung beträgt nicht 9% sondern 8%, was in etwa gleich viel ist wie Richtung Albisgüetli und Zoo, aber ohne die engen Kurvenradien wie Richtung Zoo. Es braucht also keinen neuen Tram-Fahrzeugpark. Alle Tramtypen befahren diese Linien. Solche Steigungen sind keineswegs weltweit einzigartig. So weist z.B. die relativ neue Strassenbahn in Teneriffa ein durchschnittliches Gefälle von 5% auf mit beachtlichen Streckenlängen mit 7-8%. Sowohl aufwärts wie abwärts wird mit 50km/h dort gefahren (was an der Rosengartenstrasse nicht nötig ist).
Die Rosengartenstrasse ist eine der wenigen verbliebenen zentralen Verbindungsstrassen in die Stadt mit rund 56'000 Autos (rund dreimal mehr als auf der Gotthardautobahn) und zudem mit einer starken Steigung. Auch wenn es gelänge, den Strassenverkehr zu halbieren und nur noch Elektrofahrzeuge verkehren würden, wäre diese Strasse für die Anwohner immer noch nicht zumutbar.
Auch die Digitalisierung wird den Verkehr nicht in genügenden Masse zum Verschwinden bringen.
Wenn die Trolleybusse mindestens so viel Kapazität bieten wie die Tramlinien, könnte man diese ja getrost umstellen. Das dies nicht so sein kann, zeigt schon die Fahrzeuglänge von 43m beim Tram und 25m beim Doppelgelenktrolleybus. Dazu kommt der deutlich höhere Komfort für unsere Kundinnen und Kunden in einem Schienenfahrzeug.
Freundliche Grüsse, Guido Schoch
Beilage: Der von VBZ-Direktor Guido Schoch mit Leuchtstift markierte DenkfabrikMobilität-Artikel. Die Nummern nehmen Bezug zu den Antworten im obrigen Text:
Anmerkung der Redaktion: Die DenkfabrikMobilität hält weiterhin an den von Senior Mobility Consultant Horst Schaffer veröffentlichten Fakten zum Rosengarten fest. Als unabhängiger Denkraum geben wir aber auch anderen Stimmen die Möglichkeit ihre Sichtweise kundzutun. Denn nur in einem Diskurs über die Themen der Mobilität der Zukunft kommen wir weiter und lösen uns von den festgefahrenen Mustern auf unseren Strassen und in unseren Köpfen. In diesem Sinne: denken wir weiter.#