Mobilität mit weniger Verschwendung.
Seit Jahren sammeln wir akribisch Jogurtdeckeli, bündeln Zeitungen, trennen unsern Abfall. Die Verschwendung von Energie und Food (Food waste) sind zentrale gesellschaftliche Themen. Nur ein Bereich hat es offenbar noch nicht ins gesellschaftliche Bewusstsein geschafft – die Verschwendung bei unserer Mobilität.
Dabei wären die Fakten alarmierend genug: 70% des Angebotes des öffentlichen Verkehrs bleibt ungenutzt, die Taxichauffeure klagen über 70% Standzeiten und unsere Autos stehen im Durchschnitt mehr als 23 Stunden im Tag ungenutzt herum. Daraus resultiert ein Verkehrslittering von einem gigantischen Ausmass. Die Folgen dieser Verschwendung sind für uns alle beobachtbar: Leere oder schlecht besetzte Züge, Trams und Busse, gelangweilt wartende Taxichauffeure und ein enormer Platzbedarf für herumstehende Autos. Der Clou der ganzen Sache: Den Preis für dieses ausschweifende Verhalten bezahlen wir alle. Sei es über die Steuern, Abgaben oder überhöhte Billettpreise und Taxitarife.
Welches sind die Ursachen für diese Situation? Jedes System (ob öffentlicher Verkehr, Taxi- , Bike- und Carshare-Angebote oder Mitfahrplattformen) hält einfach mal, grosse, unflexible Angebotskapazitäten vor. Dies in der Hoffnung, möglichst viele Menschen mögen diese nutzen. Der öffentliche Verkehr operiert mit einer recht groben Infrastruktur. Spezifische, massgeschneiderte Angebote existieren in den wenigsten Fällen. (Keine Frage, auch künftig werden während den Verkehrsspitzen grosse Transportgefässe für den Massentransport notwendig sein. Aber nicht undifferenziert während der ganzen Betriebszeit.) Auch das Taxigewerbe klotzt einfach mal Angebote in unsere Städte hinein. Dies in der Hoffnung, es liessen sich Fahrgäste in genügender Anzahl finden. Ein gigantisches Kapital ist investiert in Autos, die unproduktiv herumstehen. (Für viele Familien ist die Investition in ein Auto die grösste Ausgabe in ihrem Haushaltsbudget.) Eine Vernetzung zwischen den einzelnen Systemen existiert nicht. Jede Verkehrssparte kämpft für sich allein mit ihren Überkapazitäten. Zudem verfügen die Systemverantwortlichen über wenig Wissen und nur rudimentäre Daten bezüglich der Bedürfnisse und der Mobilitätsbewegungen ihrer aktuellen und potenziellen Kundinnen und Kunden.
Und genau da kann die Digitalisierung ansetzen und einen Mehrwert schaffen. Eigentlich wüssten die Algorithmen was wir wollen, was wir brauchen und was sie uns empfehlen könnten. Sie kennen unsere Mobilitätsprofile. Auch lässt sich ziemlich genau das Mobilitätsprofil einer ganzen Stadt erstellen. Ein kluges Tracking der Bewegungsmuster, der effektiven Nachfrage und das permanente Verschmelzen (Merging) von Bedürfnissen mit den Angebotsoptionen schaffen die Voraussetzung für das Gestalten attraktiver Mobilitätsangebote; individueller auf die Kundinnen und Kunden ausgerichtet. Einfach gesagt geht es darum, der Community einen direkten, einfachen Zugang zu den Opportunities zu verschaffen. Dies geschieht über Plattformen, über ein digitales Warehouse Mobilität. Ähnlich wie in einem Department Store in der analogen Welt. Neben dem bequemen Zugang schaffen Plattformen Transparenz, vernetzten, integrierten Mobilitätsangebote und verlinken diese mit einfachen Zahlungssystemen. Nach dem Prinzip von Service on Demand entstehen neue Angebote: günstiger, produktiver, individueller. Mit einem Wort - smarter. Frei nach dem Paradigma: Die Mobilität wird individueller, weil der Verkehr öffentlicher, vielgestaltiger und dynamischer wird. Das Gesamtsystem Mobilität, aber auch die einzelnen Teilsysteme, steigern ihre Produktivität markant. Vorsorglich bereitgestellte Leistungen können auf ein Minimum reduziert, ungenutzte Leistungen minimiert oder umgelagert (rezykliert) werden. Die Menschen profitieren von attraktiveren Angeboten zu tieferen Preisen.
So weit, so toll. Weshalb hat sich bei der Mobilität die Plattformökonomie, wie bei andern Branchen üblich, nicht schon längst durchgesetzt? Dies hängt zum Teil mit den mentalen Modellen der bisherigen Platzhirsche zusammen. Die öV-Betriebe haben ihre Wurzeln in der Ersten industriellen Revolution, verkörpern eine Kultur der Industrieproduktion und eine Arbeitsorganisation, die auf Massenproduktion ausgerichtet ist. Die Autoindustrie, ein Relikt der Zweiten industriellen Revolution, ist stark auf das Gerät Auto ausgerichtet. Die Weltsicht und die Weltvereinnahmung geschahen immer um das Auto herum. Beide tun sich noch schwer mit der Neuausrichtung. Erfolgreiche Geschäftsmodelle und eingespielte Verhaltensmuster zu verlassen ist oft schwer. Neue Kompetenzen sind aufzubauen. Einerseits der gekonnte, kluge Umgang mit Daten: Erhebung, Analyse, Mustererkennung und daraus abgeleitet, die Entwicklung spezifischer Angebote. Andererseits genügt es nicht mehr, Angebote und Produkte nur zu entwickeln und zu planen – dann mit einem Vertriebsmarketing in die Absatzmärkte hineinzupressen. Künftig ist Servicedesign entscheidend für den Erfolg. Dies verlangt eine ganzheitliche Sicht, ein achtsames Eingehen auf die Kundenbedürfnisse und eine kluge Vernetzung der verschiedenen Dienstleistungselemente. Erfolgreiche Angebote stimmen qualitativ, sind cool in der Anmutung und einfach bei der Nutzung.
Fragt sich, weshalb die Player der Vierten industriellen Revolution (zum Beispiel die globalen Unternehmen aus dem Silicon Valley) das Feld Mobilität nicht bereits offensiver besetzen? Diese zeichnen sich aus durch digitale Kompetenz, gehen gekonnt und virtuos mit Daten um, entwickeln daraus schnell neue Geschäftsmodelle und Produkte. Sie verfügen über gigantische Summen an Investitionskapital. Was diesen Akteuren fehlt, ist die Erfahrung in der analogen realen Welt. Da spielen die bisherigen Platzhirsche, zum Beispiel die SBB und VBZ ihre Kompetenzen aus. Beide bewegen doch täglich Hundertausende von A nach B. Nicht virtuell, sondern real, in einer analogen Welt. Dies in einer hervorragenden Qualität. Und genau da könnten die Zukunftschancen liegen: In den Kooperationen der bisherigen Platzhirsche mit den Akteuren der Vierten industriellen Revolution. #