Die Mobilität der Zukunft.
Die Digitalisierung beschleunigt die Entwicklung der Mobilität. Dieser Trend sollte auch im öffentlichen Verkehr nicht verschlafen werden.
In der Mobilität zeichnen sich massive Veränderungen ab. Uber macht in über 250 Städten der Welt dem traditionellen Taxigewerbe den Markt streitig. Die nationalen Eisenbahngesellschaften sehen sich von privaten Busanbietern bedrängt. Selbst den bis anhin agilen Carsharing-Organisationen erwächst durch neue Plattformen Konkurrenz, auf denen Privatpersonen selbst ihre Autos stundenweise anbieten. «Blablacar», eine Mitfahrplattform, erfreut sich bereits bei über 20 Millionen Mitgliedern in 19 Ländern grosser Beliebtheit und wird den heutigen Stadt-zu-Stadt-Verkehr grundlegend verändern. Selbst mit Brachflächen und Hinterhöfen lässt sich im Rahmen der Sharing-Economy Geld verdienen, wenn man sie auf der Plattform «justpark.com» stundenweise als Parkplätze anbietet.
Neue Player drängen in den Mobilitätsmarkt
Diese Vorboten der vierten industriellen Revolution sind nicht mehr zu übersehen. Drei Elemente sind dafür wesentlich: neue Kommunikationstechnologien, neue Energiequellen und neue Mobilitätsformen. Bis anhin waren der öffentliche und der private Verkehr fest verankert in den traditionellen Institutionen und Unternehmungen (Verkehrsbetriebe und Automobilproduzenten), dominiert vom Engineering und von einer systemischen Sichtweise, stark auf Hardware (Fahrzeuge und Infrastruktur) ausgerichtet, geprägt von hohen Investitionskosten. Jetzt drängen neue Player in den Mobilitätsmarkt, die sich stärker an den Bedürfnissen und Motiven der Menschen orientieren und agil und schnell neue Angebote lancieren. Dies mit tiefen Investitionskosten, aber grosser Wirkung im Markt. Die neuen Mobilitätsformen zielen auf eine effizientere Nutzung bestehender Ressourcen und Infrastrukturen, eine ökologische Produktion mit erneuerbaren Energien, tiefere Produktionskosten und weniger Unfälle.
Die Digitalisierung beschleunigt die Entwicklung und ermöglicht diese neuen Angebote. Die Trends, welche die Mobilität verändern, sind vielfältiger und grundsätzlicher.
■ Urbanisierung: 2040 sollen laut Prognosen 70 Prozent der Menschen auf unserem Planeten in urbanen Räumen leben; heute sind es knapp 40 Prozent. Das schafft für die Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen ein riesiges Marktpotenzial.
■ Sharing-Economy: Noch macht die Sharing-Economy mit ihren 0,95 Prozent einen verschwindend kleinen Teil des schweizerischen Bruttoinlandprodukts aus. Die Wertschöpfung beträgt aber schon rund 6 Milliarden Franken jährlich, die Tendenz deutet auf ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich.
■ Autonomes Fahren: Von autonomen, selbstfahrenden elektrisch angetriebenen Fahrzeugen verspricht man sich ein eigentliches Mobilitäts-Schlaraffenland. Die Vorstellung: Man tippt über eine App sein Mobilitätsbedürfnis ein, wird zu Hause abgeholt und erreicht pünktlich und entspannt sein Ziel.
■ «Always on and connected»: 2007 stellte Steve Jobs das erste iPhone vor. Mittlerweile hat sich dieses elektronische Gadget zu einer Schlüsseltechnologie entwickelt. Es erleichtert den Menschen auch den Zugang zur Mobilität, vermittelt Informationen in Echtzeit und unterstützt bei der Verrechnung der genutzten Leistung.
■ Shared Mobility: Integrierte Plattformen und Angebote werden künftig entscheidende Rollen spielen. Die Menschen können nicht mehr nur auf einzelne Verkehrsmittel zugreifen, sondern sich individuelle Mobilitätsketten zusammenstellen. Zentral ist die Frage, wer diese Plattformen beherrschen wird. Die Erfahrung aus andern Branchen (zum Beispiel Medien) zeigt, dass sich mit dem Betreiben der Plattformen Geld verdienen lässt, nicht mehr in erster Linie mit der Produktion des Inhaltes. Deshalb lässt uns die Information aufhorchen, dass Google die Strategie verfolgt, beherrschendes Eintrittsportal für unsere Mobilität zu werden.
Beim Privatverkehr zeichnet sich eine neue «Auto-Ökonomie» ab, befreit von Besitz und alter Symbolik, vernetzt, mit autonom fahrenden Autos und Elektromobilität. Und der öffentliche Verkehr? Dieser bringt sich kaum in die Diskussionen über die Mobilität der Zukunft ein. Dabei wäre er eigentlich der Mobilitätsplayer Nummer eins; in der Schweiz mit einer Topqualität und einem hervorragenden Image. So wie sich das Automobil neu erfindet, muss auch der öffentliche Verkehr zu seiner künftigen Rolle Vorstellungen entwickeln. In der heutigen Form ist er ein Auslaufmodell.
Die alleinige Ausrichtung auf Investitionen in Beton und langfristige Angebotskonzepte ist nicht zukunftsfähig. Ab und zu eine App zu lancieren, reicht nicht aus. Findet keine offene, engagierte Auseinandersetzung über Visionen und mögliche Szenarien statt, könnte im eigentlichen und im übertragenen Sinne das eintreffen, was der Zukunftsforscher Matthias Horx so auf den Punkt bringt: «Wir fahren auf den Gleisen der Vergangenheit in die Zukunft und verstehen nur noch Bahnhof.» #